Die Evaluierung des Waffenrechts nimmt Fahrt auf. Auf Einladung des Bundesinnenministeriums (BMI) vom 3. September 2025 konnten die betroffenen Verbände ihre Positionen in den Prozess einbringen, dabei sollte jeder Verband jeweils nur fünf Punkte ansprechen. Nach unseren Informationen fand am 12. September 2025 eine BMI‑Videokonferenz zur Einweisung der Verbände statt. Die vom Ministerium gesetzte Frist zur Abgabe der Stellungnahmen endete am 6. Oktober 2025. Wir hatten bereits im Zusammenhang mit der vom VDB veröffentlichten Analyse zum Handlungsbedarf im Waffenrecht berichtet.
Viele der beteiligten Verbände haben ihre jeweiligen Stellungnahmen nun selbst veröffentlicht. Wir haben reingeschaut, fassen die fünf Hauptaussagen zusammen und kommentieren. Beachten Sie bei der Lektüre bitte, dass viele Verbände sehr ausführliche Stellungnahmen verfasst haben und das Waffenrecht bekanntermaßen sehr kompliziert ist. Insofern mögen innerhalb einer Kurzzusammenfassung einige Aspekte untergehen. Wir verlinken für Sie deshalb jede einzelne Stellungnahme am Ende des Artikels, sodass Sie sich selbst ein Bild machen können. Verbindliche Standpunkte der Verbände sind nur jene im jeweiligen Dokument.
Überblick: Die Stellungnahmen der Verbände zur Evaluierung des Waffengesetzes
Deutscher Schützenbund (DSB) – 1.319.794 Mitglieder
- Bedürfnisprinzip/‑prüfung vereinfachen und rechtssicher machen. Besitz‑Bedürfnisnachweise sollen unbürokratisch und möglichst auf Vereinsebene möglich bleiben; Tausch‑/Ersatzwaffen sowie Wechselsysteme ohne erneutes Vollverfahren.
- Kontingente sachgerecht öffnen. Flexiblere Ausgestaltung des Grundkontingents (Anzahl/Verteilung zwischen Kurzwaffen und halbautomatischen Langwaffen) und praxistaugliche Ausnahmen vom Erwerbsstreckungsgebot.
- Rechtsklarheit & Kohärenz erhöhen. WaffG, AWaffV und WaffVwV systematisch bereinigen (klare Verweisungen, einheitliche Alters‑ und Vereins-/Verbandsregeln, eindeutige Vorgaben für Ersatz‑/Trainingswaffen).
- Verwaltungsvereinfachung & Digitalisierung. Digitale WBK und standardisierte NWR‑Schnittstellen; bundeseinheitliche Prozesse, u. a. für Schießstandsachverständige und Verbandskommunikation; Wiedereinsetzung eines Fachformats für den Schießsport.
- Verhältnismäßigkeit sichern. Differenzierte Sanktionen (keine Kriminalisierung von Bagatellen), evidenzbasierte Bewertung von Regelungen (z. B. auch im Messerbereich).
Bayerischer Sportschützenbund (BSSB, LV des DSB) – 521.188 Mitglieder
- Besitz‑Bedürfnis durch Vereins‑ statt Verbandsbescheinigung; Wegfall des erneuten Bedürfnisnachweises bei reinem Waffentausch; Wechselsysteme und wesentliche Teile ohne zusätzliches Bedürfnisverfahren.
- Jugend & Altersausnahmen realistisch regeln. Absenkung des Mindestalters für Druckluftwaffen; ärztliche Atteste nur bei konkretem Anlass; bundeseinheitliche Verwaltungspraxis.
- Weitere Ausnahmen für Dual-Use-Magazine. Digitale WBK & NWR‑Prozesse. Prüf‑ und Eintragungsabläufe digital abbilden; Vereine als berechtigte Akteure im NWR in klar definierten Prüfschritten einbinden.
- Aufbewahrung praxistauglich. Klare Regeln zur Schlüsselaufbewahrung; sichere Lagerung begrenzter Vereinswaffenbestände im Schützenhaus ermöglichen; Verhältnismäßigkeit bei Bestandsbehältnissen.
- Sicherstellen, dass ein Verstoß gegen die Messerführverbote nicht zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit führt.
Deutscher Jagdverband (DJV) – 257.600 Mitglieder
- Verhältnismäßigkeit beim Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse (insb. § 5 Abs. 2 WaffG – klare, praxistaugliche Kriterien statt Automatismen).
- Bedürfnis und Langwaffenbegrenzung – restriktive Praxis überprüfen; sachliche Begründung für mengenmäßige Limits.
- Jagdtechnik – Nachtzieltechnik, künstliche Lichtquellen und Schalldämpfer rechtlich kohärent und praxistauglich regeln.
- Aufbewahrung – Klarstellungen (z. B. Schlüssel, Magazine, Schalldämpfer), Verhältnismäßigkeit bei geringfügigen Verstößen.
- Messer und „Sicherheitspaket“ – allgemeine Ausnahme für Erlaubnisinhaber prüfen; erste Erfahrungen mit Landesverordnungen auswerten.
Gewerkschaft der Polizei (GdP) – 208.111 Mitglieder
- Normenklarheit bei Messern & Verbotszonen. Weniger Ausnahmen, eindeutige Begriffe; Systembrüche (z. B. § 42a bei „Nicht‑Waffen“) beheben.
- Generelles Mitführverbot von Messern im öffentlichen Raum statt Flickenteppich an Zonen, um Kontrollen und Durchsetzung zu erleichtern.
- Unbefristete Amnestie. Rechtssichere Abgabewege für Waffen/Messer ohne Strafverfahren; idealerweise Abholung durch Behörden.
- Sanktionsrahmen fortentwickeln. Straf‑/OWi‑Vorschriften verhältnismäßig anpassen, um Gefährlichkeit und Unrechtsgehalt besser abzubilden.
- Anscheinswaffen & „Kleiner Waffenschein“ neu bewerten. Verschärfte Regeln für Herstellung/Vertrieb/Führen; Förderung sicherer Alternativen in der Selbstverteidigung.
Bund Deutscher Sportschützen (BDS) – 100.000 Mitglieder
- Zuverlässigkeit systematisieren. Einheitliche, verhältnismäßige Praxis; Bagatellverstöße nicht als Automatismus zum Entzug.
- Persönliche Eignung rechtssicher anwenden. Transparente Rechtsmittel; Alters‑/Gutachtenregelungen mit Augenmaß.
- Bedürfnis entbürokratisieren. Weg vom „Stempelzählen“; flexibleres Grundkontingent; Tausch/Ersatz/Wechselsysteme erleichtern.
- Sportliche Beschränkungen überprüfen. Anscheinswaffen‑ und Magazinregelungen, Altersgrenzen, Schalldämpfer etc. auf Wirksamkeit und EU‑Recht prüfen.
- Sichere Aufbewahrung verhältnismäßig. Klarheit bei Schlüsselaufbewahrung; Nutzen anlassloser Kontrollen kritisch evaluieren.
Bayerischer Jagdverband (BJV) – 50.000 Mitglieder
- Verhältnismäßigkeit & Effektivität. Messerverbote, Einschränkung von Schalldämpfern, Erben‑/Blockiersysteme und Aufbewahrungsregelungen auf Praxisnutzen prüfen.
- EU‑Recht: Nationale Überregulierung (z. B. Blockiersysteme, Magazine) zurückführen.
- Digitalisierung. Digitale WBK, verifizierbare Nachweise, DSGVO‑konforme Bürgerauskünfte.
- Rechtsklarheit im Vollzug. Bundesweit einheitliche Standards, klare Verwaltungshinweise, planbare Verfahren.
- Evidenz. PKS‑Differenzierung legal/illegal, Tatmittel/Delikttypen, Täterprofile.
Bund der Militär‑ und Polizeischützen (BDMP) – 34.000 Mitglieder
- „Entschlackung“ des Waffenrechts. Bedürfnis/Kontingente vereinfachen (Stufenmodell), Tauschvorgänge ohne Vollverfahren.
- Bessere Statistik. Valide Daten zu Waffenmissbrauch und Delikten als Basis für Änderungen.
- Illegalen Waffenbesitz in den Mittelpunkt. Schwerpunkte von rechtstreuen Besitzern weg hin zur Kriminalitätsbekämpfung.
- Konsequenter Umgang mit Extremismus/psychischen Erkrankungen. Verlässliche, digitale Berichtspfade an Waffenbehörden.
- Zuverlässigkeit & Waffenverbote effizient vollziehen. Bürokratie abbauen, klare Prüfkriterien.
Deutsche Schießsport Union (DSU) – 20.000 Mitglieder
- Erwerb/Bedürfnis vereinfachen. Fortbestehen des Bedürfnisses praxistauglich gestalten; Tausch/Ersatz/Wechselsysteme ohne erneutes Vollverfahren.
- Überprüfung und fundierte Analyse der Notwendigkeit der aktuellen Aufbewahrungsregeln.
- Umsetzung des Waffenrechts vereinheitlichen. Praxistauglichere Gestaltung.
Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) – 15.000 Mitglieder
- Systembruch Messer beenden. Eindeutige Definitionen und kohärente Regelungen statt „Nicht‑Waffen“ im WaffG.
- Waffenverbotszonen auf Wirksamkeit prüfen und bessere Lösungen beleuchten.
- Waffenverbote im Einzelfall wirksamer machen. Berechtigte Prüf‑/Meldewege (rechtssicher, datenschutzkonform) stärken.
- 3D‑Druck (Baupläne/Software), Umgehungstatbestände und hybride Gefährdungen rechtlich fassen.
- Anlassbezogene Meldungen verbessern. Zuverlässigkeit/Eignung nicht nur im Drei‑Jahres‑Turnus, sondern bei relevanten Ereignissen sofort prüfen können.
Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler (VDB) – 1.824 Mitglieder (zzgl. 21.278 Fördermitglieder)
- Fachhandel als Sicherheits‑Partner stärken. Rechtssichere, praktikable Prüfwege (Voreinträge, Munitionsberechtigung, Waffenverbote) – idealerweise via NWR‑Rückmeldungen.
- PKS differenzieren. Klare Trennung legal/illegal; Tatmittel, Delikttypen, Täterprofile – als Voraussetzung für verhältnismäßige Regulierung.
- Regelungen auf Kohärenz prüfen. Systemwidrige Messer‑/Anscheinswaffenregeln, überbordende Feststellungs‑/Verbotsregelungen bereinigen; faire Entschädigung bei nachträglichen Verboten.
- Bürokratie abbauen & Vollzug harmonisieren. Einheitliche Verfahren (z. B. Erbfälle/Fundwaffen, Vernichtung/Verwertung), weniger Doppelprüfungen.
- Digitalisierung des Waffenrechts. Digitale WBK, moderne NWR/XWaffe‑Funktionen (Echtzeit‑Verifikation), sichere Online‑Prozesse auch für Distanzgeschäft.
Bundesverband zivile Legalwaffen (BZL) – 180 Mitglieder (Verbände)
- Rücknahme der letzten Waffenrechtsverschärfung aus dem "Sicherheitspaket".
- Generalrevision Messerrecht – Messerverbote/-zonen auf Wirksamkeit prüfen; Systembruch, Unübersichtlichkeit und strafbewehrte Alltagsrisiken abbauen.
- Aufbewahrung & Grundrechte – verdachtsunabhängige Wohnraumkontrollen (Art. 13 GG) kritisch bewerten; Verhältnismäßigkeit stärken.
- Digitalisierung & Entbürokratisierung: Schaffung eines volldigitalen Management-Systems des Legalwaffenbesitzes.
- Die Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz (WaffVwV) sollte komplett neu gefasst werden.
Meinung: Der all4shooters-Kommentar zur Evaluierung des Waffenrechts 2025 und den Stellungnahmen der Verbände
Der Trend in den Stellungnahmen ist klar. Der wohl am Meisten und von allen Verbänden an der ein oder anderen Stelle angesprochene Themenkomplex ist Normenklarheit, Systematik und bundesweit einheitlicher Vollzug. Für die meisten Jäger und Sportschützen ist das sicher keine Überraschung: Der vom Waffengesetz Betroffene kann sich mittlerweile kaum mehr selbst ein Bild machen, was erlaubt oder verboten ist. Hat er es (eventuell gar mit anwaltlicher Hilfe) herausgefunden, sieht es die örtliche Waffenbehörde plötzlich ganz anders. Kein Wunder, arbeitet man im Waffenrecht doch mit einem Flickenteppich von Regelungen, Ausnahmen von Ausnahmen, unsinnigen oder unklaren Verweisen und einer schon lange überholten Verwaltungsvorschrift. An einigen Stellen widerspricht sich das Gesetz gar selbst oder ergibt logisch keinen Sinn. Dieses Hauptproblem vermag aber leider eine Überarbeitung wohl nicht zu lösen. Stattdessen – und auch das sprechen einige Verbände an – wäre eine komplette Neufassung des Gesetzes, auf robuster Datengrundlage, dringend geboten.

Ebenso großes Thema in den Stellungnahmen ist die Digitalisierung und Entbürokratisierung. Während letzteres wegen der Komplexität vermutlich auch nicht ohne Neufassung des Gesetzes zu lösen wäre, ist eine Digitalisierung heute schon ohne großen Aufwand machbar. Denn eines muss man festhalten: Die Durchführung des Waffengesetzes erfolgt aktuell noch zum Teil mit den Mitteln von vor 50 Jahren. Ein Beispiel, das vermutlich jeder Waffenbesitzer kennt: Möchte er eine Waffe erwerben, legt er dem Händler seine lappenartige WBK vor. Die prüft der Händler dann und meldet den Kauf an das NWR. Hier könnte die Thematik für den Waffenbesitzer schon erledigt sein. Der muss stattdessen nun jedoch seinen "Lappen" samt eines ausgefüllten Formulars und unter Umständen des Waffenbriefs des Händlers in einen Umschlag stecken und an die Waffenbehörde senden. Dort öffnet dann ein Beamter den Brief um zu erfahren, was er dank NWR ohnehin schon seit Tagen weiß. Er nimmt sodann die WBK, spannt sie in eine Schreibmaschine (ja, das soll es dem Vernehmen nach noch in einigen Behörden geben) um dort jene Daten einzuhämmern, die im Formular und auch schon im NWR stehen. Danach setzt er den obligatorischen Stempel, steckt die WBK samt Gebühren-Rechnung (natürlich) wieder in einen Umschlag und sendet sie an den Waffenbesitzer zurück. Warum es im Jahr 2025 keine digitalen, mit dem NWR verknüpften WBKs im Scheckkartenformat gibt? Das weiß vermutlich niemand so genau.
Weiter gehen die Verbände auch auf die Thematik "Bedürfnis und Erwerbsstreckung" ein. Im Fokus stehen dabei vor allem Erleichterungen beim Wechsel von Waffen, Flexibilisierung des Grundkontingents und die Erwerbsstreckung für Sportschützen generell. Leider gehen viele Stellungnahmen dabei aber nicht an den Casus knacksus: Was bringt das Bedürfnisprinzip als Solches überhaupt? Zumindest in der Ausgestaltung wie in Deutschland. In vielen anderen Ländern in und außerhalb der EU wird dies so umgesetzt, dass man einen legalen Grund angeben machen muss, warum man eine Waffe besitzen möchte. In Deutschland hingegen werden sehr spezifisch definierte, erlaubte Begründungen bis ins letzte Detail, immer und immer wieder überprüft. Im Zweifel wird eine WBK versagt, weil man die Grippe hatte und einmal zu wenig beim Training war. Die Überprüfungen überfordern nicht nur die Behörden und halten sie von wichtigen Eignungs- und Zuverlässigkeitsprüfungen ab, sie frustrieren auch Sportschützen und Jäger. Zudem nährt dieses System den Schwarzmarkt, der in Deutschland ohnehin das mit Abstand größte Problem darstellt. Eine der, hier beim BDK (im Kontext der fehlenden Mengenbeschränkung von Langwaffen bei Jägern) zu lesenden Begründungen, ist, dass Waffen "gehortet" werden könnten. Leider erklärt aber niemand, warum das überhaupt schlecht sein soll. Wenn eine Person zuverlässig und persönlich geeignet im Sinne des Waffengesetzes ist, macht es für das öffentliche Sicherheitsinteresse keinerlei Unterschied, ob die Person eine oder 100 Waffen im Schrank stehen hat. Wenn die Behörde diese Überprüfung der Person bei zig Waffenbesitzern aber nicht zeitnah vornehmen kann, weil sie gerade mit "Stempelzählen" in der Schießkladde eines Sportschützen beschäftigt ist, dann haben wir ein Problem. Kurz gesagt: Wie viele "Waffen im Volk" sind, ist völlig egal. Ziel muss es sein, dass nicht eine einzige in den falschen Händen ist.
Hier finden Sie die jeweiligen Stellungnahmen der einzelnen Verbände im Volltext (alle im pdf-Format):
- DSB – Deutscher Schützenbund
- BSSB – Bayerischer Sportschützenbund
- DJV – Deutscher Jagdverband
- GdP – Gewerkschaft der Polizei
- BDS – Bund Deutscher Sportschützen
- BJV – Bayerischer Jagdverband
- BDMP – Bund der Militär- und Polizeischützen
- DSU – Deutsche Schießsport Union
- BDK – Bund Deutscher Kriminalbeamter
- VDB – Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler
- BZL – Bundesverband zivile Legalwaffen