Wer in Nordamerika nach dem Ortsnamen „Big Sandy“ sucht, hat die sprichwörtliche Qual der Wahl. Ob im Boyd-Landkreis Kentuckys, im Chouteau-Landkreis Montanas oder im Upshur-Landkreis von Texas, überall gibt es je eine Gemeinde dieses Namens. Doch will man mit „Big Sandy“ die Augen von Fans automatischer Waffen zum Leuchten bringen, ist die Sache klar: Das schafft man mit dem Big Sandy Test Center im Nordwesten Arizonas, zu finden gut zehn Meilen (gut 16 Kilometer) nördlich des Örtchens Wikieup und bekannt als Veranstaltungsort des Big Sandy Shoot (BSS).

Wer da hinfährt, landet in einer sonnendurchglühten Wüstenlandschaft mit Saguaro-Kakteen, Mesquite-Sträuchern, Kreosot-Büschen und Palo-Verde-Bäumen. Zwischen denen tummelt sich allerlei liebstes Getier, darunter diverse Spinnen-, Schlangen- und Eidechsenarten und – das Highlight – die als „Gila Monster“ bekannte Krustenechse. Nun, solange man in dem für den Trip empfohlenen Geländewagen sitzt und über die Route 93 zuckelt, hat man erst mal nichts am Hut mit allem, was da krabbelt, züngelt, beißt und sticht. Vielmehr sollte der Fahrer auf das Schild „111 Meilen“ achten. Denn hier biegt man von der Route 93 ab. Spätestens jetzt zeigt sich, warum der Geländewagen die richtige Wahl darstellt: Eine Viertelstunde lang rumpelt das Auto über einen holprigen Wüstensandweg, ehe man das Big Sandy Test Center erreicht. Dort fand an drei Tagen im Oktober 2024 der 20. Geburtstag des Big Sandy Shoot statt. Ein Jubiläums-Schießevent der Superlative – mit einer Feuerlinie, die sage und schreibe 500 Meter breit ist. Teilnehmer und Organisatoren schaffen alles heran, was schießt. Vom Kaliber .22 bis 155 mm reicht die Auswahl, Maschinenpistolen, Sturmgewehre, leichte und schwere Maschinengewehre, davon viele mit Gurtzuführung, in den Gurten auch Leuchtspurmunition. Munitionsverbrauch? Das können die Veranstalter nur schätzen: „Etwa zwei Millionen Schuss.“ Über allem steht das Thema Sicherheit. Folglich beginnt das Schießen morgens mit einem Pflicht-Briefing. Die Sicherheitsregeln werden besprochen, zudem wird vor Skorpionen und Schlangen gewarnt. Nach einem gemeinsamen Gebet und dem Singen der US-Nationalhymne heißt es dann:

„Feuer frei!“ – der Big Sandy Shoot startet

Hundert MG-Schützen legen schlagartig los. Ein ohrenbetäubendes Knallen und Rattern rollt durch die Wüste und vor der Schießbahn ergießt sich eine stundenlange Feuerwalze. Das Schießgelände ist mit Hunderten von Zielen präpariert. Viele explosiv, sodass jeder versucht, so viele wie möglich per Treffer hochgehen zu lassen. Ein Magazin nach dem anderen leert sich im Dauerfeuerbetrieb, MG-Gurte rucken im Eiltempo durch die Waffen. Oft fungiert ein Helfer als Hilfsschütze und führt die langen Gurte zu. Sind die Waffen heiß geschossen, kommen sie zum Kühlen beiseite. Deswegen hören die Teilnehmer aber nicht auf, sie nehmen eine andere Waffe. Und der Spaß geht weiter. Wegen seiner Wüstenlage bietet Big Sandy auch den Schuss auf Flugziele an – sicherlich einzigartig. Als „Targets“ dienen Modellflugzeuge, ferngesteuert in diversen Geschwindigkeiten. Dies stellt wegen des gebotenen Vorhaltens eine besondere Herausforderung für MG-Schützen dar. Sind Flugziele in der Luft, erhöht sich das MG-Feuer spürbar, jeder will den entscheidenden Feuerstoß abgeben. In den Schießpausen sammelt das Big Sandy-Team die abgeschossenen Modellflugzeuge ein. Und sofern nicht beschädigt, wird deren Steuerung wieder verwendet.
Casual Shooting: Spaß beim Schießen in der Wüste
Das ganze Szenario lässt sich nicht mit militärischem Schießen vergleichen. Es fängt damit an, wie sich in Big Sandy die Schützen hinter ihren Waffen platzieren. Sie sitzen lässig auf Campingstühlen, Munitionsboxen oder umgedrehten leeren Eimern, auch nutzen sie Dreibeine und Lafetten, so lässt sich bequemer feuern als per Liegendanschlag. Als Hitzeschutz nutzen viele Handschuhe. Teils ist die Ehefrau dabei und leert einige Magazine. Auch die Kinder schießen fleißig mit. Ein Durchgang dauert etwa drei Stunden. Dann kommt die Zeit für die Waffenpflege, für den Aufbau neuer Ziele und für Gespräche über das gemeinsame Hobby. Die Atmosphäre ist familiär, viele kennen sich seit Jahren. Auch als Zuschauer kommt man rasch ins Gespräch. Fragen und Austausch zu den Waffen sind immer willkommen.
Big Sandy Shoot 2024: Die Waffen …

… sind in den USA eine Form der Geldanlage (dazu unten mehr), insofern ist die Palette beim BSS einzigartig breit. Bei Maschinenpistolen (MP) sieht man viel Amerikanisches wie Ingram-, Thompson- oder Grease Gun-Modelle. Genauso oft erspäht man israelische Uzi- sowie britische Sten- und Sterling-MPs. Auch bei Sturmgewehren geht es international zu, neben vielen M16-Versionen gibt es Waffen der Typen AK-47 und Ak-74. Deutsches ist sehr gefragt. Das gilt für Waffen von Heckler & Koch, als da sind MP5, MP5k, die Sturmgewehre G3 und G33 und das MG HK21. Noch ältere deutsche Modelle wie MP 40 und Sturmgewehr 44 finden sich ebenso, auch diese werden vollautomatisch geschossen. Wegen des Alters und des Waffenwerts sind diese Ausführungen aber für stundenlanges Schießen sicher zu schade.

Bei den MGs fesseln ebenfalls viele deutsche Stücke den Blick: MG 13, MG 15, MG 34 und MG 42 auf Lafette oder auf Dreibein. Und die werden nicht geschont. Wegen des einfachen Laufwechsels kann man hier lange schießen. Viele Schützen nutzen billige Ersatzläufe für langes Dauerfeuer. Natürlich schießen die Amerikaner auch mit MGs aus dem eigenen Land. Die Weltkriegsklassiker BAR M 1922, M 1919, das HBAR M2 im Kaliber .50 BMG sind in größerer Menge aktiv, letztes auch als Zwillings-MG, wassergekühlt, zur Luftabwehr. Das aus den „Rambo“-Filmen bekannte M 60 darf ebenfalls nicht fehlen, genauso wie die russischen MGs Maxim, RPK und RPD. Eine seltene und wertvolle Waffe kann man sofort an ihrem Klang erkennen: Das M134 Minigun im Kaliber 7,62 mm mit sechs rotierenden Läufen ist gleich dreimal vertreten. Durch die Kadenz von 50 Schuss pro Sekunde oder 3.000 Schuss pro Minute hört man sie sehr eindrucksvoll heraus. Größte Schulterwaffen sind Tankbüchsen wie Lathi L39 oder Solothurn 18/100, beide im Kaliber 20 mm. Eine US-Besonderheit ist, dass bis 1986 viele Halbautomaten von Büchsenmachern umgebaut und als Vollautomat registriert werden durften. Auf Grundlage dieser Waffen wurden dann weitere Vollautomaten aufgebaut. Somit stammen zum Beispiel viele HK-Clones in den USA tatsächlich nicht aus dem Schwarzwald, stattdessen kommen sie von Lizenzherstellern wie MKE, POF oder EBO beziehungsweise sie enthalten lokal hergestellte Teile.
Das Maschinengewehrschießen mit Leuchtspur und Pyrotechnik …
… in der Nacht – ein Höhepunkt für viele Besucher. Nach Einbruch der Dunkelheit startet jeweils am Freitag und Samstag das Nachtschießen. Die Effektziele sind mit fluoreszierenden Leuchtstäben markiert. Die Modellflugzeuge fliegen mit leuchtenden LED-Streifen als Kennzeichnung. Zur Feier des BSS erweisen sich die Veranstalter als besonders großzügig mit Explosiv- und pyrotechnischen Zielen. Die Schützen laden teilweise Leuchtspurmunition. MG-Gurte und Magazine sind voll. Ein stundenlanges Feuerwerk erhellt die Wüste. Das Mündungsfeuer der Vollautomaten, die Flugbahnen der Leuchtspurgeschosse, die getroffenen Explosivziele, die Ziele mit Pyrotechnik und Leuchtkugeln erzeugen ein packendes Schauspiel. Stundenlang genießen die wie gebannt blickenden Anwesenden die Szenerie.
Sandy Shoot – auch Panzer und Haubitzen sind in der Wüste dabei:

Ein Teil der Feuerlinie hatte "Battlefield Vegas" gebucht, dabei handelt es sich um eines der vielen Schießcenter in Las Vegas. Dort kann man aus Hunderten von Waffen seine Favoriten buchen. Das Angebot erstreckt sich aber bis zum Panzerfahren und -schießen. Da dies auf der Firmenanlage in Las Vegas nicht möglich ist, ließen die Inhaber für zahlungskräftige Stammkunden diverse Fahrzeuge in die Wüste verlegen. Eine Vielzahl von Panzerabwehrkanonen (PAK) wurden in Stellung gebracht, darunter sogar ein Artillerie-Geschütz M 114 Howitzer im Kaliber 155 mm. Dies ist in den USA das größte arbeitsfähige Geschütz, das sich in privatem Sammlerbesitz befindet. Auch einige funktionierende Panzer positionierte Battlefield Vegas in der Wüste. Vom M 113 wurde in Vietnam-Manier per MG geschossen. Der Kampfpanzer M 48 und dessen Nachfolger M 60 verfeuerten jeden Tag einzelne Granaten. Jeder Schuss dieser Fahrzeuge sorgte für großen Andrang, oft unterbrach dies das übrige Schießen, weil jeder das Spektakel verfolgen wollte. Die teuren Granaten wurden zuvor stolz den Zuschauern präsentiert. Selbstredend, dass für diese Panzer und PAK ein erweiterter Sicherungsbereich nötig war.
Maschinengewehre einfach ausleihen: Machine Gun Rental

Beim BSS, aber keine eigenen Waffen? Kein Problem: Man kann sich etwas leihen. Vor dem Ausgabezelt bilden sich am Samstag teils lange Warteschlangen. An Freitag oder Sonntag geht es, ohne warten zu müssen. Erfahrene Schießaufsichten helfen mit den Waffen. 20 Schuss kosten 35 Dollar, nicht billig, aber sicher ein einzigartiges Vergnügen. Die Auswahl reichte von Klassikern wie Thompson M 1928, Beretta MP 1938 über S & W M 76, Uzi bis zur HK MP5 und Colt M 16. Leih-Sturmgewehre gab es natürlich, M 16, AK-47 und AK-74. Da der Preis für die Waffen einheitlich war, ergab es mehr Sinn, beim BSS die Chance zum Schießen mit Sturmgewehren und MG zu ergreifen. Die MGs waren sicherheitshalber auf Zweibein oder Lafette montiert. Zur Auswahl standen vier Waffen: Das älteste war das bis zum Vietnam-Krieg genutzte MG 1919 A4 im Kaliber .30-06 Springfield. Das M 240B in 7,62x51 mm steht nach wie vor weltweit im Dienst und ist zudem aus vielen Actionfilmen bekannt. Ein russisches PKM im Kaliber 7,62x54 mm R war auch etwas, das viele Schützen buchten. Gern kann man auch längere Gurte schießen. Das amerikanische Browning M2 war wegen des dicken Kalibers .50 BMG natürlich teurer, fünf Schuss kosten 25 Dollar. Viele Schützen nahmen gleich 20 Schuss für 100 Dollar. Wo sonst kann man einen Gurt .50 BMG vollautomatisch leerschießen?
Das Big Sandy Test Center im US-Bundesstaat Arizona

Das Big Sandy Test Center ist ein knapp 2,6 Quadratkilometer großes privates Testgelände für die Verteidigungsindustrie. Das Areal enthält eine Reihe von Schießständen mit einer maximalen Schussdistanz bis 2.000 Meter. Schießbahnen mit beweglichen Zielen im direkten Schuss lassen sich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten bis 1.500 Meter nutzen. Waffenkammern, Sprengstoffbunker und eine Teststrecke für Kettenfahrzeuge bilden die Infrastruktur des Test Centers. Waffenhersteller, Verteidigungsfirmen, aber auch Filmproduzenten können sich für Test, Training und Vorführungen exklusiv einmieten. Das Angebot wird gern genutzt, da sich Termine auf Übungsplätzen der US-Streitkräfte nur sehr umständlich-bürokratisch buchen lassen. Da ist die Flexibilität eines privaten Anbieters sehr von Vorteil. Ein erfahrenes Team von Range Security, Feuerwehrleuten und Feuerwerkern steht im Test Center zur Verfügung. Das Management-Team von Big Sandy besteht aus Kenton Tucker, dem Range Officer, und Ed Hope, dem General Manager. Wegen der schon erwähnten, sehr freundschaftlichen Atmosphäre zwischen Besuchern und Schützen hilft man sich gegenseitig mit Tipps zu den Waffen und lässt interessante Stücke auch mal von anderen Leuten schießen. Bob Faris war ein bekannter US-Sammler, der lange in der US-Waffenindustrie gearbeitet hatte – er feierte hier noch seinen 80. Geburtstag. Nach ihm ist heute der Weg zur Schießbahn benannt. Mike Dillon, Gründer und Eigentümer der Firma für Wiederladezubehör und bekannt aus dem Film „Machine Gun Magic“ / Firestorm in the Desert“, gehörte früher ebenfalls zu dem Kreis der nach Arizona reisenden Schützen. Seine Nachfahren schießen heute in Big Sandy.
Dieser Artikel auf dem dieser Beitrag basiert erschien auch in der VISIER, Ausgabe 4/2025. Dort sind nicht nur Tipps für den eigenen Besuch beim Big Sandy Shoot enthalten, sondern auch ein Exkurs zur Legende Knob Creek und Infos zum Sammlerwert von Vollautomaten in den USA. Das Heft können Sie im VS Medien-Shop online kaufen. Es steht dort auch als ePaper zur Verfügung.