70 Jahre alt und immer im Einsatz: Die .44 Remington Magnum und der Smith & Wesson Model 29 im Praxistest

Es gibt Handfeuerwaffen, bei deren Anblick sich das Gewissen auch altgedienter Redakteure sogleich mit einem Imperativ meldet, in der Art von: "Händewaschen!" Wie sähe denn sonst, mit etwas öligen oder gar schwitzigen Fingern begrabbelt, diese makellose, hochglänzende Brünierung aus? Sauber und trocken gewischt präsentiert sie sich wie ein schwarzer Spiegel. Dazu kommt die absolut stimmige Linienführung dieses Revolvers aus dem Hause Smith & Wesson, deren Ästhetik selbst hartgesottene Technokraten erst einmal verstummen lässt. Früher war vielleicht nicht alles besser. Aber oft genug hatte sich bei vielen Produkten das Aussehen noch der Zweckbestimmung anzupassen und diese somit nicht durch ein möglichst werbewirksames Design verwässert. Und schon umgibt einen solchen, wenn stimmig und qualitativ hochwertig gefertigten Artikel, das gewisse Fluidum von etwas ganz Besonderem. Und als solches war dieses Projekt um 1955 auch gedacht, es handelte sich tatsächlich schon lange vor gewissen Kinofilmen um das Prestigeobjekt "The Most Powerful Handgun in the World"! Die Rede ist hier natürlich von dem legendären Revolver, dass die meisten Smith & Wesson Fans heute unter der Bezeichnung Model 29 kennen.

Ein Rückblick auf den S&W M 29 − ganz ohne Dirty Harry:

Der Smith & Wesson M 29 galt lange Zeit als die leistungsstärkste Kurzwaffe der Welt aus Serienproduktion.

Und auch der oft genannte Elmer Keith, einer der (vielen) unermüdlichen Protagonisten von leistungsgesteigerten Laborierungen Kaliber .44  Special, soll nur kurz erwähnt werden. Seine Pionierleistung zur sehr potenten und dennoch schützensicheren Laborierung ".44 Magnum", welche aus den frühen Smith & Wesson N-Rahmen "Hand Ejectors" so phänomenale Leistung brachte, soll damit nicht geschmälert werden. Auch nicht seine Einflussnahme auf Smith & Wesson, einen für diesen hohen Gebrauchsgasdruck auf dauerhafte Belastung ausgelegten Revolver zu konstruieren. 

Hammer-hart! Der Schlagbolzen ist noch direkt am Hahn angelenkt. Darüber die jahrzehntelang von Smith & Wesson verbaute "Tönnchenvisierung" mit der klassischen "White Outline"-Umrandung.

Aber bis heute werden jährlich immer wieder sogenannte "Wildcats", gefertigt. Also auf private und nicht industrielle Initiative, in Kleinserie gefertigte Spezialpatronen, die oft mit großem à plomb vorgestellt werden. Doch mangels wirtschaftlicher Großserienfertigung verschwinden dann viele davon rasch wieder in der Versenkung. Es war das lockende große Geschäft, welches sowohl Carl Hellstrom von Smith & Wesson als auch R. H. Coleman von Remington Arms erkannt hatten und diese beiden wichtigen Firmenvertreter zu dem veranlassten, was heute "Joint Venture" genannt wird. Und ohne Großserienfertigung wäre die Bezeichnung ".44 Magnum" sowohl als Patrone wie auch Revolver vielleicht nie so erfolgreich geworden. Remington fertigte also die .44  Magnum und Smith & Wesson steuerte von 1955 bis Anfang 1956 fünf (sic!) speziell wärmebehandelte Hand Ejector-Revolver mit N-Rahmen bei. 

Von Sportschützen schon recht früh bemängelt, von Jägern und sonstigen Waffenträgern aber sofort geliebt: Das Rampenkorn des S&W m 29 mit dem roten Einsatz. Das Korn ist ein festes Bestandteil des Kornsockels.

Die ersten .44 Magnum-Revolver von S & W liefen unter der recht trockenen Bezeichnung NT-430, "N" für die Rahmengröße und "T" für die Target-Ausstattung. Die Zahl  430 stand für den Laufdurchmesser von 0,43  Zoll, also fast 11  Millimeter. Die ersten Serienfertigungen des NT-430 umfassten rund 3.100  Stück. Es gab zu Beginn nur zwei technisch verschiedene Muster, eines mit 6,5“- und eins mit 4“-Lauf, sowie zwei Oberflächenoptionen, brüniert und vernickelt. Gekostet hat der damalige Magnum-Traum ganze 135  US-Dollar. Das hört sich nach sehr wenig an, entspricht aber einer heutigen Kaufkraft von rund 1.600  Dollar. Doch dafür gab es nicht nur die „Magnum-Power“ satt, sondern auch einen exzellent gefertigten Revolver. Zum späteren M  29 wurde der NT-430 nur durch die 1957 von Smith & Wesson vorgenommene einfache Durchnummerierung sämtlicher Revolvermodelle. Die teils recht langen und bestimmte Spezifika erklärenden Modell-Bezeichnungen waren damit Geschichte. Was aber die sehr spezielle Erfolgsgeschichte der Modellreihe  29 in keiner Weise beeinflusst hat. Denn nicht nur leistungshungrige Sportschützen wollten einen Revolver in dem Kaliber. In den USA ist die Jagd mit Kurzwaffen verbreitet und die .44  Magnum ermöglichte sowohl die Jagd auf größeres Wild wie auch auf weitere Distanzen als bis dahin gewohnt.

Der .44 Magnum-Revolver Smith & Wesson M  29 im Detail:

Die hohe Verarbeitungsqualität der frühen Exemplare des S&W Model 29 spricht für sich. Siehe die Spiegelung des Hülsenbodens. Der Trommelstern ist mit zwei Stiften gegen Verdrehen fixiert, die Kammern wurden entsprechend des Hülsenrandes der .44 Magnum-Patrone ausgedreht.

Auch im Zeitalter der .500 S&W Magnum beeindrucken noch die Maße und das Gewicht der Testwaffe, einem M 29-2: Fast drei Pfund verteilen sich auf annähernd 36  Zentimeter Länge. Mit geladener Trommel kommen über 1.600  Gramm zusammen. Trotz des langen 8 3/8“-Laufes liegt dieser Revolver eher neutral, also weder griff- noch lauflastig, in der Hand. Schon auf den ersten Blick wird klar, dass auch die sehr hochwertige Verarbeitung ein wesentlicher Teil dieser bis heute dauernden Erfolgsgeschichte war. Die hübsch gemusterten Holzgriffschalen sind mit einem bootslackähnlichen, klaren Überzug versehen. Nun ja, ergonomisch ist anders  –  aber die Passungen! Denn die Verbindungsschraube zwischen den beiden Griffschalen braucht es nicht wirklich. Die backen auch so am Rahmen fest. 

Eine von WM-Bullets angebotene .44er Laborierung entspricht der Geschossform der von Elmer Keith für diesen Smith & Wesson-Revolver entwickelten, sehr frühen Magnum-Laborierung.

Der Luftspalt zwischen Trommel und Laufwurzel liegt bei etwa 0,15  mm, Timing wie Fluchten sind einwandfrei. Alle miteinander korrespondierenden Teile laufen wie das oft zitierte Uhrwerk. Auch nur ansatzweises Kriechen oder Kratzen beim Auslösen des Hammers kommt nicht vor. Das über 12  mm breite, längs gerillte Züngel steht schon etwas über den Abzugsbügel heraus, breiter geht nicht. Unterstützt wird der Target-Anspruch auch durch den breiteren, gewaffelten Hammersporn. Unter passablen Lichtverhältnissen lässt sich mit der gegebenen Visierung und dieser Abzugscharakteristik von entsprechend versierten Kurzwaffenschützen sicherlich auch heute noch passendes Wild strecken. Dies besonders in Gebieten, die in den USA unter "Brush Country" laufen. Das sind, von meist trockenen Bachläufen durchzogene, mit dichtem und oft dornenreichen Bewuchs bestandene Gebiete. Der dadurch größtenteils eingeschränkten Sicht wegen ist dort der Einsatz einer potenten Kurzwaffe oft sinnvoller als der einer eher hinderlichen Langwaffe.

Auf dem Schießstand mit dem S&W M 29:

Diese Aufnahme zeigt, wie schmal Smith & Wesson den dennoch hoch belastbaren Rahmen des Revolvers gehalten hat. Aber zierlich wirkt der M 29 dadurch auch nicht.

Das geht nur mit Respekt. Denn die rund 1.500  Gramm Abzugswiderstand sind öfters schneller überwunden als vorausgeplant. Werden dann statt heruntergehungerter Soft-Laborierungen knackig laborierte Fabrikpatronen in den Kammern gezündet, kann der Klassiker durchaus bissig reagieren. Denn heute übliches "Softes" wie Gummigriffschalen oder eine zumindest mittels Griffschalen verdeckte hintere Rahmenspange gibt es nicht serienmäßig. Wer beim Schuss nicht herzhaft zupackt, bekommt Schläge. Die Hebelwirkung des langen, dünnen Laufes wirkt enorm. Die 44er-Serie M  29 "Classic", mit dem bis zur Mündung reichenden Ausstoßerstangen-Gehäuse (Full Lug Barrel) ist nicht umsonst bei Sportschützen ab 1991 so beliebt geworden. Die Hebelwirkung des sehr langen, schlanken  Laufes in Verbindung mit knackig geladenen Fabrikpatronen brachte auch die Schießmaschine an ihre Grenzen. 

Es war einmal ... keine MIM-, sondern buntgehärtete, geschmiedete oder gefräste Schlossteile und diese zum Teil noch händisch nachgepasst.

Öfters bis zum Anschlag ausgelenkt, sitzen manche Folgeschüsse nicht mehr in der vorigen Gruppe. Die laborierungsgleichen Gruppen, aus der Hand jedoch ebenfalls mit absoluter Wiederholgenauigkeit geschossen, sähen weitaus besser aus. Entsprechend schwach laborierte Fabrikpatronen wie die 44er GECO Hexagon liefern auch aus der dabei nicht gestressten Schießmaschine  Streukreise um 50  Millimeter. So erklärt sich das bekannte Phänomen, dass die typische Lauflänge von 6½“ der schwereren Classic-Variante meist bessere Maschinenstreukreise liefert als die der lang- und dünnrohrigen Urahnen. Kein Wunder also auch, dass in allen relevanten Dachverbänden die 44er Disziplinen meist von Wiederladern bestritten werden. Schusscheuen Naturen ohne Wiederladeerlaubnis bliebe nur der Kauf von Patronen im Kaliber .44  Special. Was allerdings so sinnvoll daher kommt, wie einen Porsche ausschließlich in 30er Zonen zu bewegen.

Technische Daten und Preise Smith & Wesson Model 29-2

Modell:

Smith & Wesson 29-2

Kaliber:

.44 Magnum

Kapazität:

6 Patronen

Lauflänge:

212 mm (8 3/8“)

Visierlänge:

193 mm

Kimmenausschnitt:

3,0 mm

Kornbreite:

3,0 mm

Abzugswiderstand:

ca. 1.500 g (SA-Modus)

Abmessungen:(L x B x H):360 mm  x 44 mm x 157 mm

Gewicht:

1.475 g

Preis:ca. 1.300,- bis 1.800,- Euro auf dem Gebrauchtwaffenmarkt

Ausstattung: Schwarze Hochglanz-Brünierung, Goncalo Alves-Holzgriffe, breiter Hammersporn und breiter Sport-

Abzug. White-Outline-Kimme, festes Rampenkorn, Mikrometervisier.

Getestet wurde der Smith & Wesson M 29-2 aus der Ransom Rest. Ein Paradebeispiel, dass die Schießmaschine manchmal nicht das Maß aller Dinge ist, zeigte der Fakt, dass − trotz festangezogener Bremse − bei stramm geladenen Fabrikpatronen im Kaliber .44 Magnum, die "Rest" öfters bis an den Anschlag ausgelenkt wurde.

Das Testfazit zum Smith & Wesson M 29-2 in .44 Magnum:

Damit auf Wettkampf? Bei Fabrikpatronen und Wettbewerbern mit "Full-Lug-Läufen" würde eher ein Wettkrampf daraus. Nur Wiederlader hätten reelle Chancen, mit leistungsreduzierten und dennoch präzisen Patronen zu punkten. Denn diese Abzugscharakteristik muss ein MIM-Schloss erst mal bringen. Und auch die restliche Verarbeitung der alten M  29 liegt über dem heutigen Niveau. Das gilt aber sicher nicht nur für die Waffen von Smith & Wesson, sondern auch für die der meisten Mitbewerber aus dieser Zeit.  Auch erklärt dies, warum gebrauchte M 29er aus den frühen Jahren heutzutage selten auf dem Markt zu finden und die Preise vergleichsweise hoch sind. Dass es immer noch Liebhaber des M 29 ohne ein bis zur Mündungsreichendes Ausstoßergehäuse gibt, belegt nicht zuletzt der Umstand, dass Smith & Wesson ihn, nach dem "offiziellen" Produktionstopp 1999, wenige Jahre später in der Classics-Series als Model 29-10 nochmals wiederbelebt hat. Aktuell listet Smith & Wesson-Importeur WAIMEX den M 29 mit 6½"-Lauf aus der Classics-Series zum unverbindlich empfohlenen Verkaufspreis von 2.250,- Euro. Hier geht's zum all4shooters-Testbericht mit dem "modernisiertem Klassiker" Smith & Wesson M 29-10.  


Dieser von Robert Riegel und Hamza Malalla gemeinsam erstellte Testbericht erschien auch in der VISIER-Ausgabe 1/2025. Dort finden Sie auch die kompletten Schießergebnisse mit diversen Laborierungen in .44 Special und .44 Magnum. Die VISIER 1/2025 können Sie hier im VS Medien-Shop als gedruckte oder auch als digitale Ausgabe bestellen.

Hier finden Sie weitere Informationen zum US-Waffenhersteller Smith & Wesson und seinem Portfolio.  

Mehr zum aktuellen S&W M 29 aus der Classics-Serie erfahren Sie auch beim deutschen Smith & Wesson-Importeur WAIMEX. Dieser verkauft als Großhändler allerdings ausschließlich über den Fachhandel.