Balaklawa - Ritt in den Tod

Teile von Gliedmaßen und Trümmer säumten ihren Weg, als sie über die Körper ihrer gefallenen Kameraden zurück ins Tal stiegen. Die einstmals prächtigen Uniformen in Blau, Rot und Gold hingen in Fetzen herab, waren mit Blut bespritzt. Geblendet von Säbelhieben ins Gesicht, stolperten einige Soldaten ziellos umher. Andere schleppten sich schwer verwundet davon oder stützten diejenigen, die nicht mehr alleine gehen konnten. 

Ihre Säbel hingen an zerrissenen Riemen und schleiften über den Boden. Pferde wieherten schwer verletzt, rollten sich im Todeskampf über ihre getöteten oder verletzten Reiter. Einer der Beobachter auf einem Höhenzug fragte: „Was machen denn die Scharmützler da unten?“ Nach genauerem Hinsehen erwiderte jemand: „Das sind keine Scharmützler, das ist die Leichte Brigade.“

„The Charge of the Light Brigade“ (Die Attacke der leichten Brigade) lautet der Name eines Gedichtes von Alfred Lord Tennyson, das den Heldenmut der unter Generalmajor Cardigan angreifenden Kavallerie hervorhebt. Doch die Lyrik spiegelt nur einen Bruchteil des Debakels während der Schlacht von Balaklawa wider. 

Das Ereignis brannte sich tief ins Gedächtnis der britischen Generalität ein. Die militärisch eher unbedeutende Schlachtepisode im Krimkrieg (1854-1856) wirkt bis heute nach.


Der Hintergrund

Seit 1815 war die britische Krone in keine militärische Auseinandersetzung innerhalb Europas verwickelt. Die Briten stellten die hegemoniale Weltmacht. Russland - die einzige ernst-zunehmende weitere Weltmacht dieser Ära - begehrte den Zugang zum Mittelmeer. Diesen wollte sich Zar Nikolaus I. über einige Donauprovinzen verschaffen. 

Die Furcht vor russischen Ansprüchen auf britische Gebiete bildete die Lunte an einem hochbrisanten Pulverfass. Das Zündfünkchen lieferte schließlich ein Zank zwischen orthodoxen und katholischen Mönchen um den Zugang zur Geburtskirche in Bethlehem. 

Die Stadt stand zu dieser Zeit wie Jerusalem unter der Verwaltung des Osmanischen Reiches. Der Zar beschuldigte die türkische Polizei der Untätigkeit, als orthodoxe Mönche zu Tode kamen. Er erklärte sich zum Schutzherrn aller orthodoxen Christen und nutzte das, um seinen Glaubens-brüdern in den osmanisch kontrollierten Donaufürstentümern Moldau und Walachei vorsorglich „zur Hilfe zu eilen“. Kurz: Er marschierte dort ein.

Für den Dienst im Krimkrieg verlieh  Queen Victoria ihren Soldaten diesen Orden. Die Spangen am Ordensband verraten, in welcher Schlacht des Krimkrieges der Träger gekämpft hat.

Frankreich, als Schutzmacht der Katholiken, betrachtete die russische Vorgehensweise als Affront. Napoleon III. versicherte sich der Rückendeckung Queen Victorias. Im März 1854, etwa ein halbes Jahr nach Beginn des Konflikts traten die Franzosen gemeinsam mit den Briten auf türkischer Seite in den Krieg ein. Die Briten waren auf ein solches Abenteuer nicht vorbereitet. Es fehlte an allem, angefangen bei Uniformen über Waffen bis hin zu logistischer Unterstützung. 

Ein funktionierendes Sanitätswesen gab es nicht. Hierum machte sich unter anderem Florence Nightingale verdient. Sie leitete im Krimkrieg ein Lazarett im mehrere Tagereisen entfernten türkischen Üsküdar (Scutari). Ihre humanitären Bestrebungen wurden jedoch von den Militärs weitgehend ignoriert, wenn nicht sogar boykottiert.

Abtransport von Verwundeten im Hafen von Balaklawa. Das Sanitätswesen war alles andere als organisiert. Verwundete wurden oft erst nach Tagen in ein Lazarett verschifft.

Zudem erkauften betuchte Offiziere britischer Infanterie- und Kavallerie-Regimenter sich oft ihren Rang. So bekleideten Militärs ohne Sachverstand teils hohe Ränge in begehrten Regimentern. Die Generalität teilte die Auffassung des 1852 verstorben Oberbefehlshabers Wellington: Angehörige der Oberschicht müssen schlicht mehr zu sagen haben als diejenigen niederer Klassen. 

Oberbefehlshaber der britischen Armee auf der Krim war der 65-jährige Feldmarschall Lord Raglan. Dessen Qualifikation bestand hauptsächlich darin, dass er als Militärsekretär unter Wellington in den Befreiungskriegen gedient hatte. Raglan galt als freundlich und besonnen - aber sein Mut und seine Entschlossenheit galten als sprichwörtlich: Er hatte bei Waterloo seinen rechten Arm verloren. Als der aus dem Lazarettzelt gebracht werden sollte, befahl Raglan, das amputierte Körperteil zurückzubringen: Auf einem Finger stecke noch sein Siegelring.

Die Kavallerie-Division bestand aus schwerer und leichter Brigade. Beides unterstand Generalleutnant George Charles Bingham, Earl of Lucan. Der unsensible, übertrieben pedantische Offizier verstand es vorzüglich, seine Untergebenen zu demotivieren. 

George Bingham, dritter Earl of Lucan, war Divisions- kommandeur von Cardigan und sein Schwager. Das Verhältnis zwischen den beiden war nicht gerade rosig.
James Thomas Brudenell, siebter Earl of Cardigan, kaufte sich seine Kommandos. Er führte den verlustreichen Angriff der Leichten Brigade an.

Generalmajor James Brudenell, Earl of Cardigan, befehligte die Leichte Brigade. Als einer der reichsten Männer Englands hatte sich Cardigan verschiedene Kommandos in begehrten Regimentern erkauft. Seine Arroganz führte regelmäßig dazu, dass er abgelöst oder „weg befördert“ wurde. Obwohl auch er pedantisch und zudem ein Leuteschinder war, genoss er ein gewisses Ansehen bei seinen Männern. Dank seines Geldes trugen sie nur die schicksten Uniformen und ritten die

besten Pferde. 

Cardigan war Lucans Schwager. Als Cardigan dessen Schwester verließ, verschlechterte sich das Verhältnis zu seinem Divisionskommandeur vehement. Raglan mahnte zwar an, dass man die beiden besser nicht zusammen lassen sollte, unternahm aber nichts.


Cardigans Brigade

Sie bestand aus fünf Regimentern leichter Kavallerie: den 8th und 11th Hussars, den 4th und 13th Light Dragoons und den 17th Lancers. Jedes dieser Regimenter stellte zwei Schwadronen à 250 Mann für den Dienst auf der Krim. 

Essensausgabe bei der Feldküche der 8th Hussars. Auf der Krim gab es auch die ein oder andere Frau (im Hintergrund), die bei der Versorgung der Truppe half.

Als die verhängnisvolle Attacke geritten wurde, hatten Cholera, Ruhr und andere Krankheiten die Brigade bereits auf etwa 660 Mann dezimiert, auch hatte die Einheit viele Pferde verloren. 

VISIER-Autor Garry James mit dem M 1842. Der Victoria-Karabiner ist zwar sehr solide, aber durch seinen kurzen und glatten Lauf nicht besonders präzise.

Die gemeinen Ränge bei den leichten Dragonern und Husaren führten Karabiner und Säbel. Der 1836 eingeführte Perkussions-Karabiner wurde nach der Königin „Victoria Pattern“ genannt. Die Waffe nutzte ein Rückschloss. 

Alle Regimenter der Light Brigade, außer den 17th Lancers, führten den Karabiner M 1842. Wie die meisten Karabiner dieser Zeit besaß das Reiter-Gewehr eine Sattelstange mit Ring für das Bandolier.
Der Victoria-Karabiner und die Lanzenreiter-Pistole trugen das gleiche Schloss in sich. Die einfache, solide Konstruktion funktionierte gut, war aber für eine Pistole viel zu klobig.

1843 rüstete man sie auf ein stabileres Seitenschloss um. Versehen mit 26-Zoll-Lauf im Kaliber .73, betrug die Gesamtlänge 41 Zoll. Der Ladestock saß reitergerecht in einer schwenkbaren Aufnahme an der Mündung. Kolbenplatte, Abzugsbügel und Vorderschaftabschluss bestanden aus Messing. Auf der linken Schaftseite prangte eine Sattelstange mit Ring für den Gewehrriemen. 

Die Kavalleristen kritisierten, dass sein 73er Musketenkaliber für eine Reiterwaffe überzogen sei. Der Rückstoß mit der verwendeten 483 Grains schweren 68er Rollkugel, geladen mit zwei Drams (120 Grains) Pulver war enorm. Die glatten Läufe waren nicht sehr präzise. Auch Kimme und Korn waren recht einfach gehalten. Manchmal fehlte die Kimme gänzlich. Treffer auf mehr als 45 Meter waren reine Glücksache, aber zu jener Zeit schoss man sowieso kaum auf so „weite“ Distanzen.

Geschosse für die Waffen der Leichten Brigade (v. l.): eine 68er Kugel samt Papierpatronen für den Karabiner und die Lancer-Pistole. Daneben folgen 442er Geschosse (teils mit dazu- gehörigem Wad) für den Deane, Adams and Deane Revolver sowie eine 357er Kugel für den Colt Navy M 1851.

Sämtliche Laborierungskomponenten steckten in Papierhülsen. Diese Patronen erhielten die Soldaten wiederum in Papierpäckchen zu zehn Stück ausgegeben. Hinzu kam eine Blechdose mit

50 Zündhütchen. Beides zusammen verschwand in einer Munitionstasche. Darstellungen aus jener Zeit zeigen auch Soldaten, die die Zünder in einem ledernen Behältnis am Säbelriemen mit-führten.

Die Lancers (=Ulanen) trugen keine Karabiner. Sie führten als Hauptwaffe die Lanze Modell 1840. Deren Stange bestand aus Eschenholz, behandelt mit einer Mischung aus Teer und Leinöl. Die Stahlspitze saß mit langen Dornen im Holz. Daran wehte ein rot weißes Fähnchen. 

In seinem Buch „Cavalry; it's History and Tactics“ schrieb Captain Louis Edward Nolan (von dem wir später noch mehr hören werden) bereits: „Die Wimpel der Lanzen ziehen das Artilleriefeuer auf sich. Wenn die Lanzen wirklich so gute Waffen wären, dann sollten die, die sie handhaben, auch mehr Vertrauen darin setzen; aber es ist ja allgemein bekannt, dass die Lanzenreiter in der Schlacht ihre Lanzen wegwerfen und lieber zu ihren Säbeln greifen.“ Neben den Blankwaffen gab es bei den Lancers eine der wohl plumpesten Handfeuerwaffen, die je ein Soldat führen musste. 

Die Pistole M 42 war nichts anderes, als ein gekürzter Karabiner mit Pistolengriff. Sie wurde mit den gleichen Geschossen und derselben Pulvermenge wie der Karabiner geladen. Ihr Rückstoß war hammerhart und die Präzision - außer auf kürzeste Distanz - katastrophal.

Die Pistole Modell 1842 war im Prinzip nichts anderes als ein gekürzter Karabiner: auf neun Zoll gekappter Musketenlauf, gleiches Schloss, Messingbeschläge und klobiger Pistolenschaft. Kaliber und Munition entsprachen dem des Karabiners. Eine Visierung fehlte gänzlich. Das geringere Gewicht machte den Rückstoß noch übler, und die Präzision war katastrophal. Die Soldaten „verloren“ ihre Pistolen bei der erstbesten Gelegenheit. Jedes Regiment der Husaren und der Leichten Dragoner hatte für seine Oberstabfeldwebel und Trompeter ebenfalls 13 dieser Pistolen im Bestand. 

Die Hauptwaffe beim Angriff der Leichten Brigade war demnach der Säbel. Die meisten Soldaten führten den leichten Kavalleriesäbel Modell 1821. Der besaß ein dreispängiges Gefäß und einen mit Draht umwickelten Griff. Die leicht gebogene Klinge lief in einer Mittelspitze aus. Die Metall-scheide hatte zwei Trageringe. 

Die Säbel der Leichten Brigade: Pattern 1821 Trooper's (o.), Pattern 1853 Trooper's (M.) und Pattern 1821 Officer's. Alle Ausführungen waren gut verarbeitet und brauchbare Waffen. Allerdings klagten die Kavalleristen darüber, dass die Klingen der Säbel die schweren russischen Mäntel nicht durchdrangen.

Einige Soldaten erhielten aber auch das neuere Modell 1853 mit ähnlichem Gefäß, aber schwererer Klinge und geriffeltem Griff. Dieser Säbel wurde sowohl an die leichte als auch an die schwere Kavallerie ausgegeben. Eine weiße lederne Schlaufe (Portepee) sicherte den Säbel am Handgelenk. 

Diese Illustration des US-Künstlers Ray Ahrenholz zeigt einen Trompeter der Lanzenreiter beim Laden seines Colt M 1851 Navy. Der Reiter dahinter trägt eine Lanze mit eingerolltem rot-weißem Wimpel und eine Pistole M 42.

Offiziere führten das 1821 Light Cavalry Officer's Undress Pattern (bei den Briten bis 1896 im Dienst). Dank mit silbernem Draht umwickeltem Rochenleder am Griff,  lag Säbel rutschfest in der Hand. Er hatte ein goldenes und purpurrotes Portepee mit Troddeln am Ende. Oft zierten Ätzungen mit Regiments- oder Waffengattungsabzeichen die schlanken, speerförmigen 35-zölligen Klingen.

Stärker unterschieden sich die Faustfeuerwaffen der Offiziere. Als in den frühen 1850ern in England Revolver in Mode kamen, avancierten der Colt 1851 Navy und der Deane, Adams and Deane zu ihren favorisierten Waffen. 

Die Offiziere und Unteroffiziere der Lancers führten hauptsächlich Revolver vom Typ Colt M 1851 Navy (o.) oder  Deane, Adams and Deane. Der Colt im Kaliber .36 wurde bereits maschinell hergestellt. Er war stabil und sehr zuverlässig. Der Deane, Adams and Deane besaß einen reinen Spannabzug. Im Gegensatz zum Colt wurde er größtenteils in Handarbeit gefertigt.

Samuel Colt hatte zuvor auf der Londoner Crystal Palace Ausstellung 1851 einige seiner Revolver vorgestellt. Ab 1853 wurden Colt-Revolver auch in London und Lüttich in Lizenz gebaut. Die Krone bestellte eine gewisse Anzahl von 1851 Navy Revolvern. So erhielten auch Offiziere und Ober-stabsfeldwebel der 12th und 17th Lancers den zuverlässigen Colt M 1851. Die Revolver besaßen jedoch nicht das edle Finish, das der englische Adel gewöhnt war. 

Anders die in Handarbeit gefertigten fünfschüssigen Dean, Adams and Dean-Revolver. Die Spannabzugs-Modelle von Robert Adams, in den Kalibern .500, .442 und .320 waren edle Waffen. Sie besaßen keine Ladepresse. Der Schütze drückte die Geschosse samt Verdämmungspfropfen (Wad) mit dem Finger in die Kammern. Außerdem war der „Adams“ störanfälliger als der Colt, der zudem einen Schuss mehr hatte.

Schauplatz und Lage

Die Stadt Balaklawa lag am Schwarzen Meer (heute gehört der Ort zu Sewastopol). Über den Hafen lief der gesamte britische Nachschub. Die Straße nach Balaklawa führte durch eine von Hügeln gesäumte Ebene. 

Ein Grat, den die Briten „Causeway Heights“ nannten, teilte die Ebene in zwei Hälften. Der Angriff der Light Brigade fand im nördlichen Tal statt. Das wurde auf der einen Seite von den Causeway Heights und auf der anderen von den „Fedioukine Hills“ begrenzt. 

Die Russen hatten einige 10 000 Mann und 38 Geschütze auf den von ungefähr 1100 Türken besetzten Causeway Heights zusammengezogen. Nachdem sie zunächst Widerstand geleistet hatten, zogen sich die Türken zurück. Die Russen besetzten vier der sechs Redouten auf dem Grat.

Der Zugang zum „Tal des Todes“, nachdem die Verwundeten und Toten geborgen waren. Der Geländeeinschnitt ist realiter viel enger, als er auf den meisten Darstellungen zu sehen ist.

Die britische und französische Infanterie bereiteten den Gegenangriff vor. Zahlreiche Verzögerungen boten den Russen die Gelegenheit, ihre Artillerie auf den Fedioukine Hills in Stellung zu bringen. Nachdem die britische Kavallerie aus ihrer Deckung befehligt wurde, bewegten sich ungefähr 3500 russische Kavalleristen das nördliche Tal hinauf in Richtung Balaklawa. Dabei trafen sie nur auf den Widerstand von 550 Mann der 93rd Highlanders und ungefähr 100 Verwundeten. 

Brigadekommandeur Colin Campbell verteilte seine Highlander ganz weit auseinander und hielt den russischen Vorstoß auf. Raglan befürchtete einen Durchbruch und befahl der Schweren Brigade unter Sir John Scarlett den Angriff auf die russische Kavallerie. Scarlett erkämpfte sich mit 500 Reitern einen Weg durch die starken russischen Reihen. Später nannte man diese Aktion „The Cavalry‘s finest hour“.

Während dessen blieb die Leichte Brigade in Reserve. Von seinem günstigen Beobachtungspunkt auf dem Chersonese-Plateau glaubte Raglan zu sehen, wie die Russen britische Geschütze von den Causeway Heights wegrollten und gab den Befehl: „Lord Raglan befiehlt den Kavalleristen schnellstens vorzurücken, den Feind zu verfolgen und zu verhindern, dass der Feind die Geschütze wegrollt. Die reitende Artillerie möge sie begleiten. Die französische Kavallerie ist auf ihrer linken Seite. Sofort.“ 


Damit aber kam der Mann ins Spiel, der das Geschick der Truppe entscheidend beeinflussen sollte:

Flügeladjutant Louis E. Nolan (15th Hussars). 

Der Hauptmann bestand darauf, die Order persönlich an Lord Lucan zu überbringen. In Kanada als Sohn eines irischen Offiziers geboren und in Schottland aufgewachsen, war Nolan ein ziemlicher Idealist. Er hatte in der Österreichischen Armee gedient und in Indien gekämpft. Nolan hatte zwei revolutionäre Bücher zum Thema „Kavallerie-Taktiken“ geschrieben. Einige ranghohe Militärs betrachteten Nolans Werke neidvoll und zynisch. 

Captain Louis Edward Nolan übermittelte den Befehl des Oberbefehlshabenden Lord Raglan so missverständlich, dass Cardigan das falsche Ziel attackierte. Der Befehl erfolgte, da Lucan untätig geblieben war.

Der hitzköpfige Nolan meinte, dass es nahezu keine Aufgabe gäbe, die die Kavallerie nicht meistern könne. Zudem hielt er nichts davon, wie die Leichte Brigade befehligt wurde. Mit dem Befehl Raglans ritt er im gestreckten Galopp zu Lucan. Seine Lordschaft las den Befehl, blickte flüchtig auf das Tal und zweifelte am Sinn der Order. Lucan sagte zu Nolan, er könne weder den Feind noch die Geschütze sehen. Nolan zeigte ungehalten mit ausgestrecktem Arm, aber nicht zu den Causeway-Stellungen, sondern entlang des Nördlichen Tals. Dort hatte sich die russische Kavallerie hinter einer Artillerie Stellung neu gruppiert. Nolan wetterte: „Da, Mylord, da sind Ihre

Geschütze, und das da ist Ihr Feind.“

Niemand wird wohl je erfahren, ob Nolan Lucan nur herausfordern wollte oder er tatsächlich glaubte, dass dies die Angriffsrichtung war? Jedenfalls ritt Lucan zu Cardigan und gab ihm die Order. Cardigan warf ein, dass es gegen alle Kriegsregeln verstoße, die Kavallerie ohne unterstützende Artillerie angreifen zu lassen. Lucan erwiderte: „Haben wir eine Wahl?“ 

Da ritt Cardigan zu seiner Brigade. Die wartete gefechtsbereit am Zugang zum nördlichen Tal. An dessen Ende lagen sechs Geschütze und sechs Schwadronen russischer Lanzenreiter in Stellung. Auf dem Nordhügel standen Infanterie und Artillerie, nach Süden hin ungefähr 30 Kanonen. 

Diese Lithographie des schottischen Schlachtenmalers William Simpson stellt die Attacke der Leichten Brigade von den Fedioukine-Höhen aus betrachtet dar. Hier hatten die Russen bereits vor dem Angriff der schweren Brigade ihre Geschütze in Stellung bringen können. Diese Kanonen konnten die linke Flanke der Leichten Brigade unter Beschuss nehmen.

Nolan ritt mit den 17th Lancers. Die bildeten zusammen mit den 13th Light Dragoons die Angriffsspitze. Die zweite Reihe stellten die 4th Light Dragoons sowie die 11th und 8th Hussars. Die Männer erhielten Befehl, die Säbel zu ziehen und die Lanzen bereit zu halten. Dann trabte die Brigade an. 

Die Truppengliederung dokumentiert die Chancenlosigkeit der Light Brigade gegen den übermächtigen Feind. Ein Kreis markiert den vermutlichen Todesort von Nolan. Der Captain hatte wohl noch versucht, Cardigan umzudirigieren.

Fast zeitgleich eröffneten die russischen Geschütze das Feuer. Nolan scherte plötzlich aus und galoppierte auf Cardigan zu, fuchtelte mit seinem Säbel und schrie. Später spekulierte man, dass Nolan den Irrtum erkannt hatte und Cardigan umdirigieren wollte. Doch bevor dieser ihn bemerkte, riss ein Granatsplitter Nolans Brust auf. Den Legenden der Armee zufolge soll sein Pferd mit einem grässlichen Schrei herumgewirbelt sein und mit dem noch im Sattel sitzenden Nolan zurück durch die eigenen Reihen galoppiert sein, bis dieser schließlich aus dem Sattel glitt.

Cardigans Männern schlug ein regelrechter Geschosshagel entgegen - es gab schnell ent-setzliche Verluste. Bereits auf halbem Weg durch das Tal hatten sich die Reihen weitgehend gelichtet, es folgte ein heilloses Durcheinander. Die Reiter stürmten los und griffen blindlings Geschütze an. Sie fuchtelten mit ihren Säbeln und duckten sich in der vagen Hoffnung, den russischen Kugeln zu entgehen.

Als die Brigade schließlich die russischen Geschütze erreichte, bestand sie nur noch aus einem Bruchteil ihrer ursprünglichen Stärke. Die Männer kämpften um ihr Leben; sie fochten mit Säbeln gegen Kanonenladestöcke, kurze Säbel und Pistolen auf kürzeste Distanz. Die Truppe erkannte die Aussichtslosigkeit der Lage. Wer konnte, kämpfte sich zurück zu den eigenen Linien.

Cardigan erreichte als einer der ersten die Geschütze, kehrte aber um, weil er meinte, damit seine Aufgabe erfüllt zu haben. 

Von den rund 660 Mann, die mit Cardigan in das Tal geritten waren, fielen über 150, mehr als 120 wurden verwundet. Über 500 Pferde blieben auf der Strecke. Nach der Attacke verfügte die Light Brigade nur noch über 195 einsatzfähige Reiter. 

Der französische Marschall Pierre Bosquet kommentierte den Angriff so: „C'est magnifique, mais ce n'est pas la guerre.“ Auf Deutsch: „Das ist großartig, aber das ist kein Krieg, das ist Wahnsinn."


Die Folgen der Schlacht von Balaklawa

Militärisch gesehen ging aus dem zweitägigen Gefecht kein klarer Sieger hervor. Den Krieg entschieden schließlich die Alliierten durch die Einnahme der lange belagerten Festung Sewastopol für sich.  

Was im Krimkrieg neu war: Erstmals informierten Kriegsberichterstatter die britische Öffentlichkeit zeitnah von den Schlachtfeldern. Mit Roger Fenton zog erstmals auch ein Militärfotograf mit der Truppe mit. Der hielt allerdings keine Schlachtszenen, sondern meist nur das ruhige Lagerleben fest. 

William Howard Russell gilt als einer der ersten Kriegsreporter. Der irische Journalist berichtete für die „Times“ von den Schlachtfeldern auf der Krim.

Die Berichte der Times-Korrespondenten William Howard Russell und Thomas Chenery prangerten die unhaltbare Versorgung der Verwundeten sowie den Führungsstil höherer Offiziere an. Diese verhielten sich wie bei einer „Picknick-Tour“ – Cardigan schlief nachts sogar auf seiner Jacht.


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