Test: SIG SAUER X-Series 4 Modelle

Bereits im vergangenen Jahr präsentierte SIG SAUER die neue X-Series auf den großen Waffenmessen im In- und Ausland. Die überarbeiteten Modelle auf Basis der P 226 X-Five und X-Six firmierten hausintern zunächst unter dem Arbeitstitel „Redesign“. Bei der Neugestaltung der erfolgreichen Selbstladepistolen-Reihe griff SIG SAUER nicht nur auf die Unterstützung durch den "hauseigenen Tuner" Mastershop, sondern auch auf die Erfahrung zahlreicher internationaler Top-Schützen zurück. 

Dabei sollte angesichts des herrschenden Wettbewerbs am Ende eine Kostenvorteile bietende Variante in modularer Bauweise stehen. Das Baukastenprinzip sollte es Einsteigern in den Schießsport genauso wie Umsteigern zu anderen  und Wechslern zwischen Disziplinen ermöglichen, ihre Waffen den jeweils individuellen sportlichen Erfordernissen oder ihrem finanziellen Budget anzupassen - quasi eine Pistole zum „Mitwachsen“. So lässt sich etwa auch das mit einem Preis von 1.599 Euro günstigste Modell X-Press mit allen Features aufrüsten, die die Topmodelle der X-Line Supermatch bereits ab Werk mitbringen. 

SIG SAUER X-Series in 9 mm Para
Der Blick von hinten auf die drei Modelle der SIG SAUER X-Series zeigt fast alle Unterschiede. Von links X-Five Allround, X-Six Match und X-Five SO SOA.

Neben der Supermatch umfasst das Portfolio auch die Reihen „Match“ und „Classic“. Neu und in allen drei Linien verfügbar, stieß die Variante „X-Short“ mit 4,4 zölligem (11,78 cm) Lauf dazu. Da SIG SAUER alle Modelle der X-Series in 9 mm Para und .40 S&W anbietet, stellt auch der Wechsel zwischen diesen beiden Kalibern kein Problem dar. Ein KK-Wechselsystem „X-Five .22“ soll in Kürze folgen. Und: Für Spezialisten stehen ab Werk bereits vorkonfigurierte Pakete bereit, die in puncto Ausstattungsdetails und Zubehör speziell auf die Anforderungen der einzelnen Disziplinen abgestellt sind. Dazu zählen etwa die X-Five Open für die entsprechende IPSC Klasse sowie die X-Six PPC und X-Six PPC Open für PPC 1500-Schützen. 

Für alle, die nicht ganz genau wissen, was PPC 1500 ist, hier ein Link vom BDMP: http://www.bdmp.de/ppc1500.php?Thema=104


Das ist neu

Der markanteste Unterschied zur „alten“, vor rund zehn Jahren zunächst mit der damaligen X-Five lancierten X-Reihe besteht in dem im Bereich von Mündung und Schließfederdurchgang abgeschrägten Schlitten. Betrachtet man die Pistole frontseitig, so wich das ehemalige, oben abgerundete Rechteck mit schmalerem „U“ darunter nun einem sich nach unten verjüngenden Trapez.

 

Das neue Schlittendesign verleiht der Waffe nicht nur eine schlankere und schnittigere Anmutung, sondern reduziert auch das Verschlussgewicht und damit die sich im Schuss bewegende Masse. Das wirkt sich positiv auf das Hochschlagverhalten der Pistole aus. 

SIG SAUER X-Series in 9 mm Para
SIG SAUER: Die Entspanntaste samt Aussparung in der Griffschale über dem Magazinlöseknopf verrät, dass es sich bei diesem X-Five-Modell um eine „Allround“ handelt.
SIG SAUER X-Series in 9 mm Para
SIG SAUER: Äußerlich kann man die hier zu sehende X-Five AL SO SAO nur durch ihr minimal dunkleres Griffstück sowie die nur bei der AL-Version vorhandene, auf der rechten Griffstückseite angebrachte Lasergravur „Made in Germany“ von der Ganzstahl SO SAO unterscheiden.
SIG SAUER X-Series in 9 mm Para
Die Match-Version der SIG SAUER X-Series hält neben einem durchbrochenen Hahn auch ein skelettiertes und auf einer Trägerschiene in Längsrichtung verschiebbares Abzugszüngel parat. Der Magazintrichter besteht hier aus Aluminium. Das Magazin fasst dank seines verlängerten Bodens zwei Patronen mehr als die Standardversion.

Ebenso fällt sofort ins Auge, dass jetzt alle Modelle der X-Series mit einer Picatinny-Schiene am Dustcover aufwarten. In den hinteren beiden von insgesamt vier Stegen der Rail nach MilStd 1913 findet sich zudem eine kreisrunde Aussparung für die hauseigene „X-Mount“-Montage zum Anbringen diverser optischer Zielhilfen oder des als „X-Weight“ bezeichneten variierbaren Zusatzgewichts. Mit dessen Hilfe kann man den Schwerpunkt der Waffe nach vorn verlagern. 

Eine weitere, bislang den Sportmodellen vorbehaltene Modifikation bildet die nun bei der neuen X-Series generell vorhandene, vom Hersteller klangvoll als „Multifunktionsschnittstelle“ bezeichnete Kimmenaufnahme am hinteren Verschlussende. Diese Adapterplattform erlaubt den schnellen Wechsel mit nur wenigen Handgriffen etwa von einer starren Dienstpistolen- zu einer vollverstellbaren Mirkrometerkimme. Genauso gut kann bei vorhandener optischer Visierung ein Modul ohne Kimme, aber dafür mit integriertem Slide Racker zum schnellen Durchladen, aufgesetzt werden.

Genauer hinschauen muss man bei den weiteren Änderungen: Erst auf den zweiten Blick - oder besser gesagt Griff - bemerkt man die nochmals weiter angehobenen Handauflageflächen und vorn am Abzugsbügel das tiefer als bislang eingeschnittene Checkering für den Finger der Stützhand. Durch die im Vergleich zur alten X-Reihe nochmals erhöhten Auflageflächen sinkt die Seelenachse des Laufes weiter nach unten und die Waffe lässt sich besser im Schuss beherrschen.

Musste man früher zum Anbringen eines Magazintrichters die Griffschalen demontieren, erhielten die Schalen der neuen X-Series eine entsprechende Aussparung und das Griffstück eine passende Aufnahme am unteren Ende des Magazinschachtes.

Varianten der SIG SAUER X-Series im Test

Neben dem X-Short Conversion Kit hatte SIG SAUER noch eine X-Five AL SO SAO, eine X-Five SO SAO, eine X-Five Allround und eine X-Six Match für den test bereitgestellt. Außer dem gemeinsamen Kaliber 9 mm Para brachten alle Waffen auch einen stabilen Kunststoffkoffer, ein Reservemagazin, eine Bedienungsanleitung sowie ein Schussbild mit. 


Erste Eindrücke der SIG SAUER X-Series

Eine nähere erste Betrachtung aller vorliegenden Modelle ergab: Sämtliche Pistolen wiesen eine erstklassige Verarbeitungsqualität auf. Das Oberflächenfinish sowohl der schwarz beschichteten als auch der Edelstahlvarianten präsentierte sich durchweg sauber ausgeführt.  

Bei allen Testwaffen waren die Übergänge an den Griffschalen - egal, ob aus Kunststoff oder Schichtholz - und den jeweils unmittelbar daran angrenzenden Bedienelementen optimal gepasst. Das Gleiche gilt (sofern vorhanden) auch für den Magazintrichter. Genauso tadellos ruhten jeweils die Kimmen in ihren Schwalbenschwanzführungen. Und die untereinander austauschbaren Kimmenadapter saßen allesamt exakt eingepasst in den jeweiligen, bereits erwähnten Schnittstellen. 

SIG SAUER X-Series in 9 mm Para
Die Innereien der SIG SAUER X-Five AL SO und der mit Stahlgriffstück unterscheiden sich nicht voneinander.
SIG SAUER X-Series in 9 mm Para
Die in ihre Baugruppen zerlegte X-Six Match beweist, dass SIG SAUER, verglichen mit den jüngeren Modellen der vorherigen X-Linie, beim Innenleben keine wesentlichen Veränderungen vorgenommen hat.

Der Blick ins Innere der Testwaffen: Auch hier der gewohnt gute SIG SAUER-Standard mit nur minimalen Werkzeugspuren und einer durchweg gleichmäßigen Oberflächenbeschichtung.


Dienstpistole - das SO Modell der SIG SAUER X-Series

Mit der Abkürzung „SO“ (Special Operations) kennzeichnet SIG SAUER seine auch an den Behördenmarkt adressierten Modelle. Davon hält die X-Series zwei fünfzöllige X-Five-Ableger bereit: eben die AL SO SAO und die SO SAO. Allerdings ist die Variante für 1.999 Euro mit Alu-Griffstück rund ein 250 Gramm leichter als ihr 200 Euro teureres Ganzstahl-Pendant. Das war‘s dann auch schon mit den Unterschieden zwischen den zwei „SOs“. Sie besitzen beide das gleiche Innenleben, inklusive des identischen, nichtverstellbaren SAO Triggers (Single Action Only-Abzug). Beide SO-Exemplare verfügen über sehr griffige schwarze Plastikgriffschalen. Dank eines verlängerten Bodens fasst das Magazin 19 Patronen in 9 mm  Para - zwei Schuss mehr als die Standardbehälter.

Während man Verschlussfang, Magazinlöser und Zerlegehebel nur an der linken Waffenseite antrifft, findet man hier einen beidseitigen Sicherungshebel vor. Zur Zielerfassung dienen jeweils ein seitlich driftbares, im Schwalbenschwanz sitzendes 3,5 mm breites Balkenkorn mit weißem Kontrastpunkt und eine starre, 3,8 mm breit eingeschnittene Rechteckkimme mit senkrechtem weißem Strich unter dem Ausschnitt.


Multitalent: SIG SAUER X-Five

Das breiteste Einsatzspektrum bringt wohl die X-Five Allround mit. Die in Stainless Steel gehaltene Waffe besitzt ausschließlich linksseitig angeordnete Bedienelemente: Zerlegehebel, Verschlussfang, Magazinlöser. Anstelle eines Sicherungshebels bringt die Allround eine Taste zum gefahrlosen Enspannen des Hahnes mit. Die Bedienelemente ließen sich allesamt gut erreichen. Hinzu kommt ein SA- / DA-Trigger, der vorgespannt bei etwa 1.600 g und im Double Action-Betrieb bei satten 5.150 g jeweils ohne ungebührlich zu kriechen brach.

SIG SAUER stattet die Pistole standardmäßig mit schwarz-grauen Schichtholzgriffschalen aus, deren Fischhaut zuvor in Form des Logos der X-Series eingeschnitten wurde. Im Griffstück selbst steckt ab Werk ein 17 Patronen fassendes Standardmagazin. Und auf dem Schlitten thront eine Visierung aus 3,2 mm starkem Balkenkorn und volljustierbarer Mikrometer-Kimme mit 3,8 mm breitem Auschnitt.

Leistungssportler: X-Six von SIG SAUER

Die SIG SAUER X-Six bietet sich aufgrund ihrer „riesigen“ Visierlänge von gemessenen 205 mm (falls zugelassen) überall dort an, wo es gilt, seine Schüsse möglichst präzise in das Zentrum des Zieles zu befördern. Dabei hilft auch die bereits bei der Allround beschriebene Visierkombination aus 3,2-mm-Balkenkorn und Mikrometerkimme. Allerdings hält die Kimme der X-Six aufgrund der längeren Visierlänge nur einen 2,7 mm breiten rechteckigen Ausschnitt parat. Die Lichthöfe zwischen Kimme und Korn fallen hier auch schmaler aus als bei der Allround und auch den SO-Varianten. Das fördert zwar die genauere, nicht aber unbedingt die schnelle Zielerfassung. 

Dagegen erlaubt der unten am Griffstück angesetzte Jet Funnel aus Aluminium ein schnelles Wechseln des 19 Schuss beherbergenden Magazins. Die Griffschalen entsprechen denen der Allround und die Bedienelemente jenen der SO-Modelle (mit Ausnahme des um fünf Millimeter verlängerten Magazinlösers). Die Match wartet mit einem, inklusive Züngelposition vollverstellbarem SAO-Matchtrigger mit skelettiertem Züngel sowie einem ebenfalls durchbrochenen Hahn auf. 

SIG SAUER X-Series in 9 mm Para
Die mit dem TriggerScan-Gerät aufgezeichnete Kurve des Abzugsverlaufs unterstreicht den positiven Eindruck des SO-Modells mit Alu-Griffstück: Nach geringem, kurzen Ruckeln steht der Abzug trocken und löst aus, ohne groß durchzufallen.
SIG SAUER X-Series in 9 mm Para
Der voll justierbare Matchabzug der X-Six Match erfüllte die Erwartungen der Tester nicht ganz: Er kroch minimal und stand nicht hundertprozentig trocken, bevor er dann - positiverweise und dank Triggerstop - ohne durchzufallen brach.

Auf dem Schießstand mit der SIG SAUER X-Series

Auf dem Schießstand bestätigte sich der positive erste Eindruck der neuen Pistolen. Zunächst mussten alle Kandidaten einen Funktionstest absolvieren. Bei dem entluden die Tester mehrere - sowohl sortenrein als auch gemischt befüllte - Magazine in rascher Folge durch den Lauf. Anschließend ging es  zum Präzisionstest. Aufgrund des engen terminplans für den Test ließen sich die für X-Series-Pistolen ohne Sicherungshebel ausgelegten Spannbacken der Ransom Rest-Schießmaschine leider nicht mehr für die Modelle mit solchen Hebeln modifizieren. Daher entschlossen sich die Tester dazu, die X-Six Match und nur eine der beiden SO-Pistolen sitzend von der Sandsackauflage zu prüfen. Dagegen durften sich die X-Five Allround und anschließend das X-Short-Wechselsystem auf deren Griffstück aus der Ransom Rest beweisen. 

Das relativiert das Endresultat, bei dem die X-Five Allround gegenüber der X-Six Match die um fünf Millimeter engere Top-Gruppe von 29 Millimetern vorlegte. Es ist wohl anzunehmen, dass die „Match“, wäre sie ebenfalls in der Maschine gewesen, diesen Streukreis hätte unterbieten können - aber das geht schon in den Bereich der „Kaffeesatzleserei“. Erfreulich: Alle Pistolen verrichteten tadellos ihren Dienst. Es gab während des gesamten Tests weder Zuführ- noch Auswurfstörungen.


Technische Daten der SIG SAUER X-Series in 9 mm Para

SIG SAUER X-Series in 9 mm Para
Technische Daten: SIG SAUER X-Series in 9 mm Para

Schießtest SIG SAUER X-Series in 9 mm Para 

SIG SAUER X-Series in 9 mm Para
Ergebnisse der Schießtest der SIG SAUER X-Series in 9 mm Para

Fazit des Tests der SIG SAUER X-Series

Mit der neuen X-Series legt SIG SAUER eine durchdachte Pistolenreihe in gewohnt guter Verarbeitung und Qualität vor. Zwar tummeln sich die meisten Modelle preislich schon im Bereich der Oberklasse. Dafür aber lässt sich - dank der modularen Konzeption der neuen Baureihe - nahezu jedes Modell mit einigen Zubehörteilen oder mittels Wechselsystem(en) auch für den Einsatz in anderen Disziplinen modifizieren oder ergänzen. Das ist auch angesichts hierzulande begrenzter WBK-Einträge für Kurzwaffen sicher nicht die schlechteste Idee. Auch in puncto Zuverlässigkeit und Präzision schafft man sich mit einem Modell aus der X-Series bestimmt nichts Verkehrtes an.